Adressen

„ Vietnam, Vanuatu “ , „ o , o “
je 33 x 25 x 7,5 cm , Multiplex , Ausschnitt aus einer Serie von 50 Blöcken
In fertiggestellten Druckstöcken scheint die Zeit angehalten. Lage um Lage des Materials ist sorgfältig abgetragen worden, um Zeichen in ihm zu fixieren. Sehr lange dauerte dieser Prozess, vergleicht man ihn mit dem des Entzifferns. In unterschiedlichen Größen und Positionen sitzen die Zeichen nun im Material auf Dauer fest. Die Zeitspannen, in denen sie langsam hineingeschält wurden, liegen eingekapselt und konserviert in Schichten von Holz. In Blöcken - in einem Regal gelagert - warten die Zeichen darauf, auf Zeit an Wänden präsentiert zu werden, um dort von lesenden Augenpaaren abgetastet zu werden. In ruckartigen Rhythmen scheinen die Buchstaben- und Silbenklänge dann in den Köpfen derer auf, die ihre Augen über die Rechtecke wandern lassen. Nicht sichtbarer Abdruck entsteht, sondern unsichtbares, inneres Echo.
Ein inneres Zwiegespräch mit den Oberflächen entsteht. Wie der Blick auf Bildschirme trifft und gleichzeitig in sie hineinblickt, so fällt er auf die Blöcke an der Wand. Ihre Bildschirme zeigen eingefrorene Bilder. Buchstaben haben sich in die erstarrten Muster ihrer Oberflächen eingebrannt und legen Schichten hinter der Bildoberfläche frei. Das fortwährende Auftauchen und Verschwinden der Zeichen auf flimmernden Rechtecken ist zum Stillstand gekommen. Viel Zeit bleibt, die sonst so flüchtigen Zeichen zu betrachten und das, was sie bedeuten wollen, zu entschlüsseln.
"Adressen", ihre gemeinsame Bezeichnung, ist ein Schlüssel zum Code der Zeichen. Einige Buchstabenpaare bezeichnen Länderkürzel. Mit elektronischen Botschaften verknüpft, reisen sie zu ihren Empfängern und helfen imaginäre Aufbewahrungsorte von Informationen im imaginären weltweiten Netz von Daten anzusteuern.
Unsichtbar und langsam baut sich das Bild der Erde auf. Das Bild des Globus, Vorstellungen von Entfernungen und Unterschieden scheinen unverändert. Tatsächliche Differenz zwischen Orten ist im imaginär weltumspannenden Datennetz dagegen auf die Verschiedenheit zwischen den Zeichen eines Zeichensystems geschrumpft. Die tatsächliche Entfernung ist nicht die zwischen Sendern und Empfängern, sondern die Distanz beider zu den Computertastaturen vor ihnen. Das Eintippen von Buchstabenkombinationen katapultiert sie gedanklich weg von Orten, an denen die Körper verharren. Das Dechiffrieren der "Adressen" an weißer Wand, sprengt den Raum, in dem sie sich wirklich befinden. Es sind die Vorstellungen, die die Adressen in alle Himmelsrichtungen senden.Sobald der Code der Zeichen geknackt ist, folgt der Transfer in Bruchteilen von Sekunden.
Einige Zeichen, etwa die eingestreuten Einzelbuchstaben widersetzen sich der eindeutigen Dechiffrierung und werfen die Blicke immer wieder in den tatsächlichen Raum zurück. Sie sind nicht Vehikel, nicht Bezeichnung oder Bedeutung, sie verweisen auf sich selbst, auf die Materie deren Teil sie sind, auf den Ort, an dem sie sich befinden. Das Jetzt und Hier ist ihre Adresse.

Sabine Kammerl