Kiosk

250 x 250 x 225 cm , MDF zerlegbares Plattensystem
Abbildung : ART Frankfurt ( koordiniert von Lindinger + Schmid mit weiteren Installationen von Claus Bury , Alexander Rogl , Raffael Rheinsberg, Klaus Geldmacher, Eberhard Bosslet und FLATZ ) ;
weitere Aufstellungen : APC Galerie Köln , Museum für konkrete Kunst Ingolstadt ( Stadtbereich ) , Städtische Galerie Regensburg ( Fragment ).
Kiosk Bildbeitrag in „ STADT.KUNST “ ( Publikation der Landeshauptstadt München , Hrsg. Heinz Schütz ) , Katalog „ Aufstellung “ zur Präsentation in der Städtischen Galerie Regensburg ( mit Burkard Blümlein und Sabine Kammerl )

„Von tiefgründiger Ironie scheint die geplante Aktion von Peter Baron zu sein :
Was von Außen wie ein Kiosk aussieht und so auf die kommerzielle Funktion der Messekojen anspielt, soll beim Betreten eher an einen Sakralraum erinnern, der zu innerer Einkehr und Besinnung einlädt.
Wem würde dabei nicht der zweischneidige Charakter einer jeden Kunstmesse einfallen ...“

Pressemitteilung ART Frankfurt


„Der „ Kiosk “, ein Wanderprojekt von Peter Baron, macht Station in Köln. Die APC –Galerie ist die dritte Anlaufstelle nach der ART Frankfurt und dem Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt. Peter Baron platziert den „ Kiosk “ entweder an reich frequentierten Stellen, wie etwa auf der Frankfurter Kunstmesse, oder an Orten, die ein Forum für Kommunikation bieten. Der „ Kiosk “ wirkt unscheinbar. Beinahe quadratisch, die Oberfläche abgeschmirgelt, ähnelt sein Äußeres eher einem riesigen Pappkarton denn einem Holzkasten. Ein Vorne und Hinten gibt es nicht, nur ein Außen und Innen.
Außen bedient er die Formensprache und das Material eines Kiosks. Auf einer Ablage werden Prospekte gelagert. Die Installation wird in ihrer Funktion nicht in Frage gestellt, so als ob an jeder Straßenecke ein solcher Holzkasten stehen würde. Da befremdet schon eher das ornamentale Gitter, das eine der Wände nach Innen öffnet. Einem suchenden Blick in das ahnungsvolle Dunkel folgt der unmittelbare Schritt hinein in den Kasten und damit hinein in die Geborgenheit.
Ein schmaler Gang führt zu einer asketischen Sitzbank, von der aus man durch das Gitter das Treiben in der „ Welt da draußen “ beobachten kann. Dabei stellt sich ein optischer Effekt ein : Der Blick wird defokussiert und vor den Holzverstrebungen flackern dunkle Schatten auf. Die Position bietet ungeahnte Assoziationsmöglichkeiten. Strenge Katholiken werden sicherlich an ihr erstes Erlebnis im Beichtstuhl erinnert, während bei weniger frommen Gemütern schon mal der Gedanke an eine orientalische Haremswand aufblitzt. Doch völlig unverhohlen kann man den eigenen Voyeurismus nicht genießen. Immer wieder meldet sich das schlechte Gewissen, etwas Verbotenes zu tun, und spätestens, wenn das Gesicht des nächsten Neugierigen sich nah an die Gitteröffnung drückt, schreckt man zurück, ertappt wie eine Maus in der Falle.“

Renate Roos ( Kölner Stadt – Anzeiger Nr. 251 )


„Der „ Kiosk “ ( der auch ohne Kontext verständlich ist ) überzeugt mich als eine schlüssige Verbindung von Architektur, Möbel, Skulptur.“

Manfred Schneckenburger


„Die unterschiedlichen Wahrnehmungsweisen als Architektur und Skulptur eröffnen einen vielfältigen Spielraum zur Reflexion der sich wandelden Funktion von Kunst in unterschiedlichen Kontexten. Von daher gesehen wird der „ Kiosk “ zugleich als zeichenhafte Form und symbolischer Raum „ benutzbar “.

Ulrich Wilmes


„Ich finde den Kiosk sehr attraktiv und still.“

Harald Szeemann



„Abbas Paulus verrichtete an sich nutzlose Arbeit. Aber damit reinigte er sein Herz, macht seine Gedanken fest, harrte in seiner Zelle aus und bekämpfte und besiegte so den Überdruß."1 Ist, wer mit Holz arbeitet, ein Schreiner? Für das Scharfrichterhaus in Passau fertigt Peter Baron hölzerne Wandvertäfelungen an. In die Städtische Galerie in Neuburg plaziert er massive Sitzbänke aus Feinpreßspan und für die Kunstmesse in Frankfurt baut er eine Art Kiosk oder Ruheraum mit einer in die Außenwand integrierten Ablage für Informationsmaterial.
Daß Schreinerarbeiten gewöhnlich Aufträge zugrunde liegen, während Peter Baron aus freien Stücken und nach eigenem Gutdünken arbeitet, daß er zudem Dinge herstellt, die meist nur für die Dauer einer Ausstellung existieren, ist ebensowenig die entscheidende Frage wie die nach dem Nutzwert der Objekte. Benutzbar jedenfalls sind sie, wie mancher müde Altstadttourist in Neuburg und mancher erschöpfte Messebesucher in Frankfurt, der sich gerne auf die bereitstehenden Ruhebänke niedergelassen hat, bestätigen wird. Doch in solcher Benützung erschöpfen sich diese Objekte nicht.
Normalerweise ist das Verhältnis von Raum und Möbelstücken von Funktion und Dekoration bestimmt. Im Falle der „Möbel” Barons kommt noch eine andere Dimension hinzu, die Interpretation. Seine Objekte sprechen von dem Raum, in dem sie plaziert sind. Die Passauer Wandverkleidungen sprechen von der Vergangenheit der Räume als bürgerlicher Wohnung und schaffen einen Kontrast zu ihrer heutigen Funktion als Ausstellungsraum. Vom Gebrauchswert her betrachtet sind diese Wandverkleidungen absurd und befremdlich. Ihre Funktion im Raum ist eher eine psychologische. Ein Mittel, das Peter Baron einsetzt, um Irritation und somit Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist die Verschiebung des Kontexts. Ein an die Wand gelehnter Stapel von Preßspanplatten ist in einer Holzhandlung nichts Ungewöhnliches. In der Städtischen Galerie hingegen wirkt er deplaziert und ist es tatsächlich auch, ganz wörtlich genommen.
Es geschehen Umdeutungen des Vorhandenen und des Vertrauten. In der Regensburger Innenstadt wird plötzlich ein mit Werbung beklebter Klappständer einige Meter weiter wiederholt durch einen ebensolchen, nur massiveren Ständer, der mit seiner reduzierten Ornamentik jedoch nicht ruft, sondern bei sich bleibt. Und die obligatorische Informationstafel am historischen Gebäude hat ebenso plötzlich ein ornamentales Gegenüber.
Ein Ornament hat neben dem dekorativen auch einen verweisenden Charakter. Barons Holzobjekte sprechen von sich selbst und von dem Kontext, auf den sie Bezug nehmen. Während bloße Dinge einfach nur sind, so behauptet Arthur C. Danto, sind die Dinge der Kunst immer über etwas.2
Nein, Peter Baron ist kein Schreiner (zumal er auch die meisten seiner Arbeiten von Schreinereien im Auftrag anfertigen läßt). Und doch war die anfangs gestellte Frage nicht ganz ohne Grund. Denn die Anspielung auf die Schreinerarbeit ist ein bedeutsames Element in den Objekten Barons. Der Schreiner ist ja der Handwerker schlechthin, und das Handwerk gilt, zumal in Deutschland, wo man ihm einen goldenen Boden zuerkennt, als eine nahezu moralische Größe. Barons Anspielung ist nicht ironisch, eher zustimmend. Sie zielt genau auf diese moralische Dimension der handwerklichen Arbeit.
Der eingangs erwähnte Abbas Paulus hat vielleicht, wie es bei den frühen Eremiten üblich war, Körbe geflochten, nur um sie am Abend wieder aufzulösen. Oder er hat kleine Laubsägearbeiten angefertigt. Wenn Peter Baron in seine auf den ersten Blick minimalistischen Objekte unscheinbare, handgearbeitete Ornamente einfügt, verweist er auf eine solche Arbeitshaltung, die einfachste äußere Arbeitsformen als eine ganz grundsätzliche Arbeit am Innern einsetzt.
Und so wird der spröde Preßspankubus auf der Frankfurter Kunstmesse, zusätzlich zu seiner Außenwandfunktion als Informationsstand, allein durch das filigran gearbeitete ornamentale Fensterchen zu einem Raum der Stille.
Die spärlichen Ornamente in großen leeren Flächen, die wie Fingerabdrücke eingesetzt sind, sprechen von dem Willen, der die Arbeit so und nicht anders hervorgebracht hat. Die wenigen, ovalen Durchblicke auf die Spanplatten in dem Stapel der Neuburger Ausstellung weisen darauf hin: das Hier ist gemeint, genau dieses Material in genau dieser Menge und dieser Anordnung an genau diesem Platz. So, wie es ist, soll es sein.
Ein positiver, ja affirmativer Grundton durchzieht die Arbeiten Peter Barons: das massive Material, die saubere Verarbeitung, das Ornamentale, die Akzeptanz und Unterstützung des gegebenen Raums, die Schönheit und der Sinn, der in menschlicher Arbeit gesehen und gerade in der zweckfreien Arbeit vorgeführt wird.
„Doch die Dinge zu verlagern ist die Arbeit des Menschen", schreibt Camus: „man muß zwischen diesem Tun und dem Nichtstun wählen. Diese Anstrengung ist einen Versuch wert. Man muß ihn unternommen haben."3

Burkard Blümlein (Einführungstext zum Katalog "Fünf Orte" von Peter Baron)

1Johannes Kassianus, Institutiones X, 24. Kap. 2Arthur C. Danto, Die Verklärung des Gewöhnlichen 3Albert Camus, Heimkehr nach Tipasa — Minotaurus