Sitzgelegenheit

Raum : 17 x 16 m
Bänke : 330 x 42 x 42 cm
Platten : 407 x 207 x2 cm
MDF roh
Städtische Galerie Neuburg an der Donau

„ ...Diese „ Bänke “ sind Gegenstände, die zwar so aussehen und funktionieren wie Bänke. Aber sie werden anders benutzt. Sie haben eine andere Wirkung, als draußen auf dem Platz. Peter Baron hat sie in einen Ausstellungsraum, in die Städtische Galerie der Stadt Neuburg gestellt. Deshalb betrachten wir sie, und fangen an, über sie nachzudenken. Nachzudenken, warum sie hier stehen, oder was wäre, wenn wir sie benutzen würden. Sie stehen so da, wie Bänke oft auf Plätzen stehen. Aber es sind eigens hergestellte Bänke. Wir verwenden diese Bänke, als wenn es sich um Zeichen handelte, die es zu entschlüsseln gilt.

Bänke in Ausstellungsräumen dienen der Erholung der Besucher oder sie ermöglichen die längere Betrachtung eines Exponats. Wovon sollte der Besucher sich hier erholen; was könnte er von ihnen eingehender betrachten ?
Von den Bänken aus sieht man, nicht wie sonst in Ausstellungen Bilder und andere Exponate; man sieht den Ausstellungsraum. Der Ausstellungsraum wird Gegenstand der Ausstellung, wenn wir die Bänke als Bänke benutzen. Und die Bank, auf der wir sitzen verschwindet, sie ist nicht mehr Gegenstand unserer Betrachtung. Wenn wir uns auf eine der Bänke setzen, sie als Bank benutzen, wie dies in Ausstellungsräumen, in Museen und Galerien der Fall ist, dann werden die drei anderen Bänke zu Plastiken und der Ausstellungsraum zum Ausstellungsstück.
Dies tun wir meist nicht wirklich, wir stellen es uns nur vor. Dies ist Teil des zeichenhaften Gebrauchs der Gegenstände.

An der Ecke lehnen Holzplatten, wie abgestellt und nicht abgeholt. Aber wir sind gewitzt, es sind ebenso wenig wie die Bänke einfach nur Holzplatten. Die eingeschnittenen bzw. ausgeschnittenen Formen verweisen auf die Gucklöcher der Fassade. Sie wiederholen sie im Raum, im hintersten Eck und machen sie zum Gegenstand der Betrachtung...“

Franz Billmayer ( Auszug aus einem Vortrag zur Ausstellungseröffnung in der Städtischen Galerie Neuburg )



„Abbas Paulus verrichtete an sich nutzlose Arbeit. Aber damit reinigte er sein Herz, macht seine Gedanken fest, harrte in seiner Zelle aus und bekämpfte und besiegte so den Überdruß."1 Ist, wer mit Holz arbeitet, ein Schreiner? Für das Scharfrichterhaus in Passau fertigt Peter Baron hölzerne Wandvertäfelungen an. In die Städtische Galerie in Neuburg plaziert er massive Sitzbänke aus Feinpreßspan und für die Kunstmesse in Frankfurt baut er eine Art Kiosk oder Ruheraum mit einer in die Außenwand integrierten Ablage für Informationsmaterial.
Daß Schreinerarbeiten gewöhnlich Aufträge zugrunde liegen, während Peter Baron aus freien Stücken und nach eigenem Gutdünken arbeitet, daß er zudem Dinge herstellt, die meist nur für die Dauer einer Ausstellung existieren, ist ebensowenig die entscheidende Frage wie die nach dem Nutzwert der Objekte. Benutzbar jedenfalls sind sie, wie mancher müde Altstadttourist in Neuburg und mancher erschöpfte Messebesucher in Frankfurt, der sich gerne auf die bereitstehenden Ruhebänke niedergelassen hat, bestätigen wird. Doch in solcher Benützung erschöpfen sich diese Objekte nicht.
Normalerweise ist das Verhältnis von Raum und Möbelstücken von Funktion und Dekoration bestimmt. Im Falle der „Möbel” Barons kommt noch eine andere Dimension hinzu, die Interpretation. Seine Objekte sprechen von dem Raum, in dem sie plaziert sind. Die Passauer Wandverkleidungen sprechen von der Vergangenheit der Räume als bürgerlicher Wohnung und schaffen einen Kontrast zu ihrer heutigen Funktion als Ausstellungsraum. Vom Gebrauchswert her betrachtet sind diese Wandverkleidungen absurd und befremdlich. Ihre Funktion im Raum ist eher eine psychologische. Ein Mittel, das Peter Baron einsetzt, um Irritation und somit Aufmerksamkeit zu erzeugen, ist die Verschiebung des Kontexts. Ein an die Wand gelehnter Stapel von Preßspanplatten ist in einer Holzhandlung nichts Ungewöhnliches. In der Städtischen Galerie hingegen wirkt er deplaziert und ist es tatsächlich auch, ganz wörtlich genommen.
Es geschehen Umdeutungen des Vorhandenen und des Vertrauten. In der Regensburger Innenstadt wird plötzlich ein mit Werbung beklebter Klappständer einige Meter weiter wiederholt durch einen ebensolchen, nur massiveren Ständer, der mit seiner reduzierten Ornamentik jedoch nicht ruft, sondern bei sich bleibt. Und die obligatorische Informationstafel am historischen Gebäude hat ebenso plötzlich ein ornamentales Gegenüber.
Ein Ornament hat neben dem dekorativen auch einen verweisenden Charakter. Barons Holzobjekte sprechen von sich selbst und von dem Kontext, auf den sie Bezug nehmen. Während bloße Dinge einfach nur sind, so behauptet Arthur C. Danto, sind die Dinge der Kunst immer über etwas.2
Nein, Peter Baron ist kein Schreiner (zumal er auch die meisten seiner Arbeiten von Schreinereien im Auftrag anfertigen läßt). Und doch war die anfangs gestellte Frage nicht ganz ohne Grund. Denn die Anspielung auf die Schreinerarbeit ist ein bedeutsames Element in den Objekten Barons. Der Schreiner ist ja der Handwerker schlechthin, und das Handwerk gilt, zumal in Deutschland, wo man ihm einen goldenen Boden zuerkennt, als eine nahezu moralische Größe. Barons Anspielung ist nicht ironisch, eher zustimmend. Sie zielt genau auf diese moralische Dimension der handwerklichen Arbeit.
Der eingangs erwähnte Abbas Paulus hat vielleicht, wie es bei den frühen Eremiten üblich war, Körbe geflochten, nur um sie am Abend wieder aufzulösen. Oder er hat kleine Laubsägearbeiten angefertigt. Wenn Peter Baron in seine auf den ersten Blick minimalistischen Objekte unscheinbare, handgearbeitete Ornamente einfügt, verweist er auf eine solche Arbeitshaltung, die einfachste äußere Arbeitsformen als eine ganz grundsätzliche Arbeit am Innern einsetzt.
Und so wird der spröde Preßspankubus auf der Frankfurter Kunstmesse, zusätzlich zu seiner Außenwandfunktion als Informationsstand, allein durch das filigran gearbeitete ornamentale Fensterchen zu einem Raum der Stille.
Die spärlichen Ornamente in großen leeren Flächen, die wie Fingerabdrücke eingesetzt sind, sprechen von dem Willen, der die Arbeit so und nicht anders hervorgebracht hat. Die wenigen, ovalen Durchblicke auf die Spanplatten in dem Stapel der Neuburger Ausstellung weisen darauf hin: das Hier ist gemeint, genau dieses Material in genau dieser Menge und dieser Anordnung an genau diesem Platz. So, wie es ist, soll es sein.
Ein positiver, ja affirmativer Grundton durchzieht die Arbeiten Peter Barons: das massive Material, die saubere Verarbeitung, das Ornamentale, die Akzeptanz und Unterstützung des gegebenen Raums, die Schönheit und der Sinn, der in menschlicher Arbeit gesehen und gerade in der zweckfreien Arbeit vorgeführt wird.
„Doch die Dinge zu verlagern ist die Arbeit des Menschen", schreibt Camus: „man muß zwischen diesem Tun und dem Nichtstun wählen. Diese Anstrengung ist einen Versuch wert. Man muß ihn unternommen haben."3

Burkard Blümlein (Einführungstext zum Katalog "Fünf Orte" von Peter Baron)

1Johannes Kassianus, Institutiones X, 24. Kap. 2Arthur C. Danto, Die Verklärung des Gewöhnlichen 3Albert Camus, Heimkehr nach Tipasa — Minotaurus